|
Angkor Wat ist ein Ort, der die menschliche Seele berührt. Die atemberaubende Architektur geht an diesem magischen Ort in Südostasien eine seltene Symbiose mit der Natur und dem Menschen ein. Vor 900 Jahren hat das Khmervolk eine Architektur geschaffen, die mit der Tempelanlage von Angkor Wat ein Spiegelbild des Universums darstellt. Die in das Ensemble eingewobene Mystik und Spiritualität bereiten selbst dem modernen Besucher des 21. Jahrhunderts vor Faszination und Erstaunen eine Gänsehaut.
Majestätisch, grazil und harmonisch überragen die Haupttürme des Angkor Wat-Tempels die Ebene des weitläufigen Areals. Sie bilden das Zentrum der einstigen Hauptstadt des Khmerreiches und symbolisieren den Berg Meru, der, nach dem Kosmologieverständnis der Khmers von vor 1000 Jahren, im Mittelpunkt des Universums aufragt und den Göttern als Sitz dient. Die gesamte Anlage ist ein Abbild des Kosmos in Miniatur. Die Umfassungsmauern der Anlage symbolisieren das Weltengebirge und der Wassergraben den Urozean, der die Welt umschließt.
Bis heute sind sich Historiker und Archäologen nicht darüber einig, welchem Zweck der monumentale Bau, das größte, religiöse Gebäude der Welt, gedient haben mag.
Zwei Dinge lassen darauf schließen, dass Angkor Wat als Mausoleum fungiert haben könnte:
Zum einen ist Angkor Wats Eingang nach Westen ausgerichtet, was der Richtung des Todes entspricht. Die Flachreliefs in der unteren Galerie sind entgegen dem Uhrzeigersinn angeordnet, was ebenfalls charakteristisch für Grabstätten der damaligen Zeit war. Man kann jedoch vermuten, dass Angkor Wat sowohl als Mausoleum für seinen Erbauer Suryavarman II. als auch als Tempel diente, der Vishnu geweiht war. Denn die Himmelsrichtung, über die Vishnu regiert, ist ebenfalls Westen.
Historiker schätzen heute, dass die Bauzeit von Angkor Wat maximal 40 Jahre betrug, zwischen 1112 und 1152 unserer Zeitrechnung, was der Regierungszeit von Suryavarman II. entspricht. (Im Vergleich dazu die Bauzeit des Kölner Doms: 1248 bis 1880 ~ 600 Jahre) Man sagt auch, das Bauwerk sei von allen vier Seiten gleichzeitig angefangen worden. Der Tempelberg umschließt an seiner Basis einen Grundriss von 187 m x 215 m und erhebt sich in drei Stufen bis zu einer Höhe von 65 m. Die Umfassungsmauern haben einen Umfang von 3,6 km. Allein die kunstfertigen Wandreliefs in der unteren Galerie sind 544 m lang und 2 m hoch. Die Abbildungen erzählen die Schöpfungsgeschichte der Buddhisten. Man vermutet, dass diese „Fresken in Stein“ einst bemalt gewesen sein könnten, ähnlich den Säulengängen und Säulenhallen. Die Schönheit Angkor Wats ist nicht nur in der harmonischen Architektur der Turmbauten sichtbar sondern auch in dem üppigen und sorgfältig gearbeiteten Steindekor. Dazu gehören nicht zuletzt die 1,860 Apsaras, die von allen Wänden und aus den Nischen des Tempels lächeln. Die Apsaras sind himmlische Nymphen – Wesen zwischen Himmel und Erde – zwischen den Wolken und dem Wasser – Wesen von unvergleichlicher Schönheit. Jede sieht anders aus, hat einen anderen Haarschmuck. Mit Hilfe des Apsara-Projekts der Bundesrepublik (German Apsara Conservation Project) werden die Apsarafiguren soweit es geht, konserviert oder gesichert. An eine Sanierung oder Rekonstruktion ist leider noch nicht zu denken. Dazu fehlen die Mittel und die Fachkräfte.
Bis heute ist Angkor Wat das Nationalheiligtum des Khmervolkes. Da es nie völlig verlassen wurde, ist es der am besten erhaltene Tempel.
Verschiedene Besucher von Angkor Wat fassten ihre Eindrücke wie folgt zusammen:
„Ich brauchte einen Moment und setzte mich erstmal auf den Steinwall, der über den Wassergraben führt. Und dann starrte ich mit Unglauben auf den faszinierendsten Tempel, den Menschen je für ihren Gott errichtet hatten.“
„Erstauen erfüllte mich und Tränen schossen mir in die Augen, als ich den inneren Damm betrat und das atemberaubendste Monument der Welt vor mir erblickte.“
„Ein Schauer lief mir mit jedem Schritt, den ich auf dem Prozessierweg in Richtung des grandiosen Eingangs von Angkor Wat zurücklegte, über den Rücken.“
„Die Zeit stand still, als ich bei einem Fenster saß und einen Mönch, gekleidet in seiner orangefarbenen Robe, beobachtete. Er hielt an, um mit der, seiner Meinung nach, schönsten Frau, die je den Tempel besucht hat, zu sprechen.“
„Ich tauchte völlig in die Symmetrie der endlosen Säulengänge und weiten Hallen ein, die von den Menschen des Altertums mit ihren bloßen Händen und einer großen Hingabe errichtet wurden.“
Weitere Fotos von Angkor Wat sind in der Bilder-Galerie zu finden.
Text und Foto: © Jacqueline Myrrhe, Yim Savy